Beitrag von Martin Veltum
Seit Februar 2022 befindet sich der 24-jährige Tischlergeselle Carl Bosse aus Neinstedt bei Thale auf einer ganz besonderen Reise: seiner traditionellen Wanderschaft.
Diese altehrwürdige Tradition fordert von jungen Handwerkern nicht nur handwerkliches Können, sondern auch Durchhaltevermögen, Disziplin und Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen.
Carl ist Mitglied der Bruderschaft „Rolandschacht“, einer der beiden ältesten Handwerksbruderschaften Deutschlands. Der Rolandschacht wurde 1891 in Nürnberg gegründet und ist bis heute stolz auf seine Traditionen.
Für die Wanderschaft gelten strenge Regeln: Die Mindestdauer beträgt drei Jahre und einen Tag, das Heimatdorf darf nicht näher als 60 Kilometer besucht werden, und Geld darf weder für Unterkunft noch für Transport ausgegeben werden. Außerdem müssen alle Wandergesellen unter 27 Jahre alt, ledig, schuldenfrei und straffrei sein sowie einen traditionellen Handwerksberuf erlernt haben.
Carl, der sein Handwerk in den Werkstätten für Denkmalpflege in Quedlinburg erlernte, startete seine Wanderschaft im Februar 2022. Sie führte ihn seither durch 14 Länder — darunter Dänemark, Tschechien, Österreich, die Schweiz, Italien, Liechtenstein, Senegal und Gambia.
Ein besonderes Kapitel seiner Reise spielt sich aktuell im Geisaer Amt in der Rhön ab, mit Aufenthalten in Wenigentaft, der Stadt Geisa und Wiesenfeld.
„Organisatorisch ist die Wanderschaft eine große, aber schöne Herausforderung. Hauptgrund meiner Wanderschaft ist meine menschliche und berufliche Weiterentwicklung“, erzählt Carl.
Im Rhythmus von drei Monaten Arbeiten und drei Monaten Reisen begegnet er Menschen verschiedenster Nationen und Religionen. Er erlebte dabei auch Widrigkeiten: So wartete er im Regen zwei Stunden auf eine Mitfahrgelegenheit oder übernachtete mangels Unterkunft in einer Tiefgarage in Bamberg.
In Wenigentaft ist Carl derzeit bei der Familie von Sebastian Weber untergebracht, einem Dachdecker- und Zimmermannsmeister. Für Weber ist Gastfreundschaft gegenüber einem Innungskollegen selbstverständlich. Carl arbeitet derzeit bei der Firma Herrmann Massivholzhaus GmbH in Geisa.
Ein weiteres Highlight seines Aufenthalts in der Rhön war die Begegnung mit Zimmermannsmeister Matthias Wald in Wiesenfeld. Wald, der hinter der Marke "Creaturn — Matse Wald" steht, lebt seine Leidenschaft für Holz in einzigartiger Weise.
„Holz ist wunderbar — dieser Satz bringt es für mich auf den Punkt“, sagt Wald selbst. Seine Handwerkskunst ist auf www.creaturn.de zu finden.
Was einst mit dem Bau von Jugendbetten begann, entwickelte sich für ihn zu einem facettenreichen Schaffen: von Babywiegen, eleganten Bänken und Messerblöcken bis zu spektakulären Drechselarbeiten aus Robinie, Wacholder oder Mirabelle.
Besonders liebt er es, mit wilden, unregelmäßigen Hölzern zu arbeiten und deren versteckte Schönheit ans Licht zu bringen.
Matthias Wald vermittelte Carl nicht nur handwerkliches Wissen im Form- und Pflegeschnitt in der Baumpflege, sondern auch die Kunst des Drechselns und die Liebe zu außergewöhnlicher Holzgestaltung.
Carl zieht ein erstes Fazit: „In der Rhön ist es wunderschön, und ich wurde im Geisaer Amt offen und sehr gastfreundlich empfangen. Wenigentaft gehört mit zu meinen schönsten Aufenthaltsorten während meiner Wanderschaft. Dank Menschen wie Sebastian Weber und Matthias Wald lebt die Tradition der Wanderschaft weiter.“
Seinen Eltern, Cordula und Christoph Bosse, ist Carl zutiefst dankbar. Sie unterstützen ihn, wo sie können, und sind stolz auf ihren Sohn, der seine Wanderschaft voraussichtlich im Sommer 2026 beenden wird — reicher an Erfahrungen, Begegnungen und handwerklichem Wissen.