Gastbeitrag von Siegfried Hartmann („Itzi“)
Veltin Leutbecher wurde im Jahr 1570 geboren und erreichte ein für seine Zeit außergewöhnlich hohes Alter von 86 Jahren, ehe er 1656 verstarb. Er war evangelischen Glaubens und übte spätestens ab dem Jahr 1611 das Müllerhandwerk in Birx aus.
Seine Tätigkeit als Müller ist aus Kirchenbüchern und Steuerregistern belegt. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges war er mehrfach gezwungen, seine Mühle zu verlassen, doch stets kehrte er zurück und sicherte die Mehlversorgung der umliegenden Rhöndörfer.
Eine Anekdote berichtet, dass Veltin einst mit einem voll beladenen Fuhrwerk durch den Weiherswald nahe Birx zog, als eines der Räder brach. Sein Sohn Siegmund eilte zurück ins Dorf, um ein Ersatzrad zu holen.
Währenddessen soll Veltin, laut Erzählungen, den gesamten Wagen mit bloßen Händen angehoben haben, bis das neue Rad montiert war. Gerüchte sprachen ihm übermenschliche Kräfte oder gar magische Fähigkeiten zu, doch wahrscheinlicher ist, dass er einfach ein außergewöhnlich kräftiger Mann war.
Während seiner Transporte durch die Rhön begegnete Veltin auch zweifelhaften Gestalten. Eine davon war der berüchtigte Klingelbiel, ein zwielichtiger Geselle, der als Zechpreller bekannt war und unter dem Spitznamen "Tassetüttelche" gefürchtet wurde.
Er trieb sich in den Wirtshäusern der Rhöndörfer herum und soll mehrfach versucht haben, Mehlsäcke von Veltins Fuhrwerken zu stehlen.
Wenn es ihm zu brenzlig wurde, fand er Unterschlupf in einer Höhle im Tunk, einem abgelegenen Waldstück nahe Birx. Während des extrem kalten Winters von 1611, der durch die sogenannte Kleine Eiszeit verstärkt wurde, verschwand Klingelbiel spurlos.
Zeitgenossen berichteten, dass die Werra bis ins Frühjahr hinein zugefroren war und Vögel erfroren vom Himmel fielen - ein Winter, der auch den berüchtigten Tassetüttelche nicht verschonte.
Die Birxmühle, die eng mit Veltin Leutbechers Namen verbunden ist, bestand über 360 Jahre lang. Generationen von Müllern bewirtschafteten sie, bis sie am
3. Oktober 196l zwangsweise geräumt wurde. Ihre Nähe zur innerdeutschen Grenze machte sie zu einem Sicherheitsrisiko, und die Familie musste das traditionsreiche Anwesen verlassen.
Dennoch leben die Nachkommen der Birxmüller bis heute in Birx, dem „Dörfchen am Himmel", und bewahren die Erinnerungen an Veltin Leutbecher, seine Mühle und die Geschichten jener Zeit.
Diese Erzählung verbindet historische Fakten mit lokalen Legenden und gibt Einblick in das harte, aber faszinierende Leben in der Rhön des 16. und 17. Jahrhunderts.