Biosphärentagung in Mellrichstadt setzt starkes Zeichen für Bürgerforschung

Gastbeitrag von Lea Hohmann

Wie aus Naturbegeisterten echte Mitforschende werden, zeigte die länderübergreifende Biosphärentagung Ende April in der Oskar-Herbig-Halle in Mellrichstadt.

Unter dem Motto „Gemeinsam forschen, gemeinsam schützen!“ bot die Tagung nicht nur eine Plattform für Diskussion und Austausch, sondern vor allem auch eine Fülle an inspirierenden Impulsen, innovativen Projekten und gelebten Beispielen dafür, wie Citizen Science den Naturschutz in der Rhön stärkt.

Zahlreiche Teilnehmende aus Bayern, Hessen und Thüringen erlebten ein vielseitiges Programm, das eindrucksvoll demonstrierte, wie Menschen jeden Alters aktiv zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen können – direkt vor der eigenen Haustür.

Die länderübergreifende Tagung wurde in diesem Jahr von der Bayerischen Verwaltung des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön ausgerichtet und von Tina Bauer und Julia Rösch organisiert.

Mellrichstadts Bürgermeister Michael Kraus betonte in seinem Grußwort die Bedeutung der Veranstaltungen für die Region und hieß die Teilnehmenden herzlich willkommen. Julia Rösch von der Bayerischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats führte die rund 70 Teilnehmenden durch das Programm.

Zur Begrüßung machte Landrat Thomas Habermann mit großer Leidenschaft auf das Potenzial des UNESCO-Biosphärenreservats aufmerksam: „Biosphärenreservate sind für mich etwas ganz Faszinierendes, denn sie verbinden den Menschen und die Natur.“

Besonders hob er die Rolle von Citizen Science hervor: „Das ist ein toller Ansatz, der Neugier weckt. Jeder wird so zum Wissenschaftler oder zur Wissenschaftlerin. Es ist ein gemeinsamer Auftrag, der verbindet. Wir sind auf dem richtigen Weg.“

Er erinnerte daran, dass es beim Gedanken der Biosphäre vor allem darum gehe, die Natur zu schützen und gleichzeitig nachhaltig zu nutzen.

„Wenn man aktuell durch die Rhöner Natur geht, geht einem das Herz auf – alles blüht und gedeiht. Das macht mich dankbar. Hinter dieser atemberaubenden Natur steckt jede Menge Arbeit.“

Alle können mitforschen

Im ersten Themenblock der Tagung lag der Fokus auf dem Potenzial von bürgerwissenschaftlichen Daten im Naturschutz. Unter dem Motto „Wir alle können mitforschen!“ begann Dr. Alexander Wirth von NABU|Naturgucker den Block und stellte eindrucksvoll vor, wie Bürgerinnen und Bürger durch einfache Naturbeobachtungen einen erheblichen Beitrag zur Erfassung ökologischer Daten beitragen können.

Dr. Sarah Redlich von der Universität Würzburg erläuterte das Konzept des BioBlitzes – eine Methode, bei der innerhalb kurzer Zeit von Freiwilligen möglichst viele Arten dokumentiert werden, in ihrem Fall in landwirtschaftlich geprägten Räumen.

Dr. Doris Pokorny, Leiterin der bayerischen Verwaltungsstelle des UNESCO-Biosphärenreservats, betonte, dass das diesjährige Tagungsmotto aus besonderem Grund gewählt wurde: „Seit der Einrichtung unserer Projektstelle Citizen Science im Jahr 2021 konnten wir eine ganze Reihe bürgerwissenschaftlicher Projekte initiieren oder uns als Region an bundesweiten Aktionen beteiligen.“

Citizen Science, so Pokorny, sei längst Teil der DNA des Biosphärenreservats: „Die älteste Initiative, die Birkwildzählung, reicht sogar noch Jahrzehnte vor der Anerkennung der Rhön als Biosphärenreservat zurück.

Viele Menschen sind seit über 40 Jahren engagiert. Das zeigt, wie wichtig und unverzichtbar es ist, regionale Akteure einzubeziehen – ohne sie gäbe es zu vielen Themen keine solide Wissensgrundlage.“

Unter Anleitung ins Staunen kommen

Pokorny verwies auf das breite Netzwerk engagierter Partner wie Rhönklub e.V., Bergwacht e.V., Naturschutz- und Landschaftspflegeverbände, Universitäten, Kommunen, Schulen und Kitas und die vielen Freiwilligen in den Projekten.

„Citizen Science bietet für Menschen jeden Alters die Möglichkeit, sich einzubringen und Impulse zu setzen – für ein gemeinsames Bewusstsein. Gerade heute, angesichts von Klimawandel sowie ökonomischen und sozialen Herausforderungen, brauchen wir Verbündete. Man schützt nur, was man kennt – und Citizen Science heißt, unter Anleitung ins Staunen zu kommen.“

Anne Schierenberg von Nationale Naturlandschaften e.V. erläuterte in ihrem Vortrag, wie Citizen Science die Verwaltung von Biosphärenreservaten in ihren zentralen Aufgaben stärkt und eine stärkere Anbindung der Schutzgebietsverwaltung an die Region ermöglicht, bevor in den weiteren Themenblöcken konkrete Projekte aus der Region präsentiert wurden.

So gab Tina Bauer, die für Citizen Science in der Bayerischen Verwaltungsstelle Verantwortung trägt, Einblicke in ihre Arbeit.

Sie betont, dass die hier vorgestellten Ergebnisse nur so präsentiert werden können, weil sich so viele engagierte Menschen in der Rhön ehrenamtlich für die gemeinsame Arterfassung einsetzen, denen die Biosphärenverwaltung sehr dankbar ist.

So konnte zum Beispiel die Ausbreitung der Holzbiene oder des Trauer-Rosenkäfers mit Hilfe von Citizen Science-Aktiven dokumentiert werden, ebenso wie die Vorkommen der Silber- und der Golddistel sowie der Haselmaus.

Tina Bauer und machte in diesem Zusammenhang auch auf die Insekten-AG im Biosphärenreservat aufmerksam: „Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Erfassung und Bestimmung von Insekten in verschiedenen Lebensräumen.“

Einblicke in das Freiwilligenmanagement

Nils-Jonas Telle von der Thüringer Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats gab Einblicke in das Freiwilligenmanagement in der Thüringer Rhön und beleuchtete unter anderem das Portal „Rhönflora“.

Torsten Raab von der Hessischen Verwaltungsstelle ergänzte die Runde mit den Erfahrungen aus dem hessischen Teil des Biosphärenreservats, wo schon seit 20 Jahren Freiwillige in verschiedene Arterfassungen eingebunden werden.

Dr. Sebastian Vogel vom Biodiversitätszentrum Rhön widmete sich in seinem Vortrag unter dem Motto „Gemeinsam für den Schwarzen Apollo!“ einem bürgerwissenschaftlichen Schutzprojekt, bei welchem die durch Freiwilligen erhoben wertvollen Daten dazu beitragen Schutzmaßnahmen für eine gefährdete Art umzusetzen.

Anschließend stellte Dr. Tobias Birkwald von der Bayerischen Verwaltungsstelle des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön das länderübergreifende Rotmilan-Monitoring vor – ein Vorzeigeprojekt für kooperative Naturschutzarbeit.

Ziel ist es, mit Unterstützung freiwilliger Beobachtender den Bestand und die Verbreitung dieser gefährdeten Greifvogelart in der Rhön exakt zu erfassen und langfristig zu sichern.

Abwarten und Tee trinken

Ein besonderes Highlight bot die Bachelorarbeit von Maya Reichert an der Universität Leipzig, die unter dem Titel „Abwarten und Tee trinken“ den sogenannten Tea Bag Index vorstellte – ein Citizen-Science-Projekt zur Untersuchung der Bodenaktivität im Biosphärenreservat.

Freiwillige waren eingeladen, an definierten Standorten handelsübliche Teebeutel zu vergraben. Nach drei Monaten wurden diese von Citizen Science-Aktiven wieder ausgegraben, gewogen und in Kombination mit einfachen pH-Tests sowie Bodenparametern ausgewertet.

Ziel des Projekts war es, Rückschlüsse auf den Zustand und die Aktivität der Böden zu gewinnen – eine zentrale Fragestellung im Kontext des Klimawandels.

Ein besonders spannender Beitrag kam vom BUND Naturschutz in Bayern e.V., Kreisverband Bad Kissingen, der gleich mehrere laufende Citizen-Science-Projekte vorstellte.

Mit großer Begeisterung berichteten die Vertreterinnen und Vertreter über ihre Quellenerfassungen mit Freiwilligen, bei denen seltene und ökologisch bedeutende Arten wie die Rhön-Quellschnecke, des Alpenstrudelwurm und der Schellenberg-Grundwasserkrebses gefunden wurden.

Inspirierender Austausch

Am Nachmittag stand der „Markt der Möglichkeiten“ im Zentrum der Veranstaltung. Hier bot sich den Besucherinnen und Besuchern die Gelegenheit, mit verschiedenen Organisationen ins Gespräch zu kommen und die gesamte Bandbreite an Citizen Science Projekten in der Rhön hautnah zu erleben – von digitalen Tools bis zu praktischen Artenbestimmungen.

Dr. Doris Pokorny fasst zusammen: „Die Biosphärentagung machte eindrucksvoll deutlich: Citizen Science ist weit mehr als ein Mitmachangebot. Sie ist ein tragendes Element zukunftsfähiger Naturschutzarbeit und eine gelebte Brücke zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und regionaler Identität.“