Das Flüstern unter der Erde – Geschichte eines Bergwerkes im Frankenheim

Gastbeitrag von Siegfried Hartmann („Itzi“)

Im Jahr 1951 war die August-Grube bei Frankenheim längst zum stillen Mahnmal einer vergangenen Zeit geworden. Der Berg hatte sein "Schwarzes Gold" nicht freigiebig hergegeben.

Immer wieder war Wasser in die Schächte gebrochen, Stollen waren eingestürzt, und selbst die kräftigsten Kumpel gaben irgendwann auf. Doch dann, fast heimlich, wurde sie wieder aufgeteuft.

Nicht wegen Kohle – nein. Man wollte Tonproben. Zwei Geologen stiegen regelmäßig hinab, als suchten sie etwas Tieferes, Verloreneres als Gestein.

Niemand wusste, dass es bei diesen Arbeiten eine Entdeckung gab, die bald vergessen werden musste – oder sollte. In einem alten Seitenschacht stießen sie auf eine mit Eisenplatten vernagelte Kammer. Rostüberzogen, aber intakt.

Als sie die Platten lösten, fanden sie mehr als Geröll: Karten, Stempel, Werkzeuge, eine Lampe – und ein in das Gestein eingeritzter Name: „Buhrer 1950“.

Die Geologen glaubten zunächst an ein Relikt aus der Nachkriegszeit. Doch einer der Männer, Herr Steinbrecht, war nicht nur Wissenschaftler.

Er war auch ein Heimatsohn – sein Großvater war einst als „Buhrer“ bekannt gewesen. Der Spitzname galt in Frankenheim für jene, die in den alten Gruben sprengten, bohrten, retteten – oder verschwanden.

In der Nacht darauf träumte Steinbrecht von einer Stimme. „Nicht alles, was ihr sucht, ist tot. Manche Wege führen nicht nur durch Erde, sondern durch Schuld.“

Er kehrte tags darauf allein in den Schacht zurück. Die Luft war stickig, die Dunkelheit undurchdringlich. An der Stelle, wo die Kammer lag, bemerkte er einen kaum sichtbaren Spalt – eine Fortsetzung des Stollens, unkartiert, nicht verzeichnet.

Er kroch hinein. Zwei Stunden später kam er zurück. Blass. Verstört. Und mit einem kleinen Bündel Stoff in der Hand – ein Kinderschuh.
Niemand hat je erfahren, was er gesehen hat. Nur dass er seinen Dienst quittierte und ins Ausland ging. Die Pläne verschwanden. Die Grube wurde wieder geschlossen – diesmal endgültig.

Doch die Geschichte war nicht zu Ende. Ein Jahrzehnt später fand die Tochter eines alten Bergmanns – man nannte ihn ebenfalls „Buhrer“ – beim Aufräumen auf dem Dachboden ein altes Kästchen.

Darin: Ein Plan, handgezeichnet, mit einem dicken roten Strich, der ausgerechnet an jene unkartierte Stelle führte, an der Steinbrecht verschwunden war. Grenzpolizisten erfuhren davon. Die Frau, in Angst um ihre Familie, verbrannte alles.

Seitdem sagt man in Frankenheim: Wenn die Hunte rostig knarren und der Nebel aus dem Leubach aufsteigt, dann flüstert es unter der Erde. Und wenn du ganz still bist, hörst du es sagen: „Folge nicht dem roten Strich.“