Geisa & sein Stadtwald – „Gordischer Knoten“ durch den Bürgermeister gelöst

Beitrag von Michael Knauf

Die Stadt Geisa soll eine der waldreichsten Kommunen im Freistaat Thüringen sein. Zusammen mit allen Ortsteilen verfügt Geisa über ca. 1200 Hektar Wald, wobei der Stadtwald von Geisa oder der „Geisaer Wald“ eine Fläche von um die 600 Hektar aufweist.

Die thüringische Stadt Geisa in der Rhön hat eine wechselvolle Geschichte und musste in der Vergangenheit sehr oft die Obrigkeit wechseln.

Die stolzen Basaltkegel, wie der Schleidsberg, der Boxberg, der Rasdorferberg und der Rockenstuhl, welche das malerische Ulstertal überragen, interessierte folgende Geschichte/Sage überhaupt nicht, jedoch waren sie für die Stadt Geisa von großer Bedeutung.

historische Stadt Ansicht von Geisa/Rhön

Im Jahr 1737 verstarb der Fürstabt des Hochstifts Fulda, Adolf von Dalberg. Er war auch für das Geisaer Land zuständig, denn die Stadt Geisa gehörte politisch zum Hochstift Fulda.

Das Dom-Kapitel wählte den Rektor der Universität Fulda, Stiftsdechant und Weihbischof Amand von Buseck zum Nachfolger. Unter seiner Führung wurde die reichsunmittelbare, gefürstete Abtei Fulda 1752 zum Bistum erhoben.

Eine päpstliche Bestätigung der Wahl kam 1738 aus Rom und im Jahr 1739 erfolgte die kaiserliche Bestätigung der Regalien. Amand von Buseck wurde am 2. Februar 1685 in Eppelborn geboren und verstarb am 4. Dezember 1756 in Fulda an einem Asthmaanfall.

Porträt Fürstabt Amand von Buseck um 1740, gemalt von Emanuel Wohlhaubter

Er leitete die Reichsabtei Fulda von 1737 bis 1752. Von 1752 bis zu seinem Tod 1756 war er der erste Fürstbischof von Fulda.

Das Nachbardorf von Geisa, der beschauliche Ort Bremen, liegt direkt an einem Wald. Um diesen Wald prozessierte die Stadt Geisa schon einige Zeit gegen ihren geistlichen Landesfürsten.

Die hochdotierten Advokaten hatten in jahrelanger Arbeit aus allen Fakten einen ungeheuren Knoten der Verwirrtheit gebildet.

Wappen des ersten Fürstbischofs Amand von Buseck 1752

Eine klare Entscheidung war nicht mehr möglich, sei es denn der Knoten wird zerschlagen, wie der gordische Knoten. Eine schwierige Problematik.

Die Geisaer meinten, es wäre an der rechten Zeit, eine Delegation nach Fulda zu senden und den Fürstabt Amand von Buseck aus Anlass seiner Amtsübernahme zu beglückwünschen.

Es wurde in dem Schreiben an den Gerechtigkeitssinn des Herrn von Buseck appelliert, er möge den ungerechten Anspruch fallen lassen und den Wald unter dem Hohen Stern und dem Spielberg, der Stadt Geisa dauerhaft übereignen.

1 Pfennig Münze geprägt zu Ehren des ersten Fürstbischofs Amand von Buseck, Fulda 1752

Der Fürst überlegte, dass die Gnade einem Herrscher wie ihm eigentlich zusteht, aber die beste Gnade ist für ihn und für die Abtei, „Eine“, die nichts kostet.

In seiner Ansprache an die Geisaer Delegation, legte er mit einem vieldeutigen Lächeln und in nette Worte gekleidet dar, dass der Wald rechtmäßig Fulda zugehört.

Er könnte aber auf diesen Anspruch verzichten, wenn seine Geisaer Landeskinder eine kleine Bedingung erfüllen könnten. Er möchte bald eine Reise durch das Geisaer Land antreten, damit ihm sein untertanes Volk seine Ergebenheit und Verehrung zeigen kann.

Ansichtskarte Geisa um 1925

Kommt er durch die Stadt Geisa so möchte er dem Bürgermeister zurufen: „Gott grüß Euch, ihr Bürger von Geisa!“

Darauf erwartet er einen passenden Reim zu hören. Sind die gereimten Worte für ihn zufriedenstellend kann Geisa den Stadtwald behalten, falls nicht wird der quälende Prozess weitergeführt und Fulda wird Diesen gewinnen.

Die Rhöner Delegierten aus der Stadt Geisa waren total am Ende: Wie sollten sie einen passenden Reim finden?

historische Ansichtskarte Geisa/Rhön um 1925

Alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Geisa, damals hatte Geisa um die zweitausend Einwohner, dachten unermüdlich, Tag und Nacht über einen passenden Reim zum Wohl ihrer Heimatstadt nach. Leider vergeblich.

Während einer Ratsversammlung kam dem gewitzten Bürgermeister eine Erleuchtung zu dem Reim. Wenn der Fürstabt ruft: „Gott grüß Euch, ihr Bürger von Geisa!“ will er als Vertreter der Stadt antworten: „Gott dank euch, Herr Fürstabt, und die lieb Frau!“

Der Stadtrat war begeistert von seinem Vers und beschloss, die Stadt in einem festlichen Kleid von Blumen– und Fahnenschmuck erstrahlen zu lassen.

Ansichtskarte Geisa/Rhön um 1925

Die Geisaer Bevölkerung und ihr Rat warteten gespannt am alten Fuldaer Tor auf den Fürstabt Amand von Buseck. Alle Glocken der Stadt läuteten und Freudenböller krachten, als der prunkliebende Herrscher nahte.

Zuerst kam eine Abteilung Hofkavaliere auf hohen Rössern, mit goldbesetzten Uniformröcken. Danach die von Leibhusaren umgebene, mit sechs, edlen Pferden bespannte und mit roter Seide, ausgeschlagene Prachtkutsche, in welcher der Fürstabt saß.

Der Rat und der Bürgermeister waren von all dem Prunk total überwältigt. Schon ertönte die feste, laute Stimme des Fürstabt: „Gott grüß Euch, ihr Bürger von Geisa!“

Ansichtskarte Bremen/Rhön

Der Bürgermeister überlegte voller Unbehagen, aber sein Reim wollte ihm nicht mehr einfallen. In Gedanken versank für ihn der Wald zwischen Bremen, Zitters und Gerstengrund!

Mit letzter Kraft rang er sich eine passende Antwort ab und mit tiefer Stimme antwortete er unüberhörbar: „Gott dank Euch, Herr Fürstabt, und die heilige Mutter Gottes!“

Herr von Busseck musste über den Reim der Geisaer fürchterlich lachen und konnte sich kaum mehr geben. Nun war es an ihm, sich einen Reim auf den Geisaer Vers zu machen.

Geisa/Rhön um 1965

Dafür hatte er aber nicht die gleiche Zeit wie der Rat von Geisa. Um sein Gesicht nicht zu verlieren, lächelte er mildtätig und rief huldvoll: „Hiermit schenke er seinen treuen Geisaern den Wald!“

So hat Geisa seinen Stadtwald bekommen und sie haben diesen behalten. Wohin die Geschichte sie auch trieb und unter welches Herrschaftssystem Geisa kam, ihren Stadtwald nahmen sie immer mit!

Auch in unserer heutigen, unruhigen Zeit hat der Stadtwald von Geisa eine große Bedeutung. So konnte schon im Jahr 2007, ein weiser und vorausschauender Beschluss vom Stadtrat und dem damaligen Bürgermeister und heutigem Landtagsabgeordneten Martin Henkel (CDU) auf den Weg gebracht werden.

Frühstücks-Buchenplatz im Geisaer Wald

Es wurde auf die Nutzung klimaneutraler Nahwärme, mit der Basis von CO2 neutralen und nachwachsenden Rohstoffen gesetzt. Das Projekt sah vor, zwei moderne Holzhackchnitzel-Heizanlagen, für kommunale Gebäude zu bauen. Eine Unterstützung kam vom Freistaat Thüringen.

Das Netz 1 versorgt das Rathaus, Bauamt, Museum, die Anneliese Deschauer Galerie, das Schloss und die Point Alpha Akademie mit Wärme.

Das Netz 2 beheizt das Kulturhaus, das Ärztehaus, den Kindergarten, das Haus der Vereine mit Musikschule. Die Nahwärme-Netze sind seit dem Jahr 2014 in Betrieb.

die Ortschaft Gerstengrund am Geisaer Wald

Der heutige Stadtrat, mit der Bürgermeisterin Manuela Henkel (CDU) an der Spitze betreibt weiterhin eine unabhängige, wirtschaftliche und umweltbewusste Energiepolitik für alle Bürger von Geisa.

Die Stadt Geisa wird vollkommen unabhängig von russischen Erdgaslieferungen sein, vielmehr ist sie die erste Stadt in Deutschland welche eine eigene Ortsgasversorgung bekommt (wir berichteten).

Die dezentrale Versorgung wird durch den Einsatz von LNG (Liquified Natural Gas) erreicht. Die Verlegung von Gasleitungen zu den Bürgern und Gewerbetreibenden ist derzeit in Geisa noch im Aufbau.

das beschauliche Dorf Zitters am Geisaer Wald

Der Professor Dr.-Ingenieur Michael Kappert von der Fachhochschule in Erfurt lobte in einen Statement die Stadt Geisa sehr treffend:

„In Geisa ist es gelungen, Umwelt-und Denkmalschutz zu vereinen. Die Heizungsanlagen der Nahwärmenetze werden mit Hackschnitzeln aus dem eigenen Stadtwald betrieben. Synergieeffekte ergeben sich zusätzlich durch eine intelligente Steuerung und die unterschiedlichen Wärmebedarfszeiten in den kommunalen Gebäuden. So zeigt Geisa, wie erfolgreicher kommunaler Klimaschutz funktioniert.“

Naherholungsort "Geisaer Waldhaus"

Anmerkung: Wer über den Geisaer Wald berichtet, darf das „Geisaer Waldhaus“ nicht vergessen zu erwähnen. Das Wald-Haus hat eine so wechselvolle Geschichte, dass diese einen eigenen Beitrag würdig ist.

Dieser Beitrag wurde zum Teil nach Aufzeichnungen und Unterlagen des ehemaligen Ortschronisten der Stadt Vacha Dr. dent. Hans Goller (†) gestaltet.

Naherholungsort "Geisaer Waldhaus"