Gastbeitrag von Susanna Leubecher
Der Mai mit seinen Feier- und Brückentagen eignet sich exzellent für Kurztrips. An einem solchen Kurztrip konnte man am Abend des Pfingstsonntags in der Tanner Stadtkirche teilnehmen.
Beim Konzert „Abend und Morgen“ begaben sich der Kirchenchor Tann (Leitung: Kantor Thomas Nüdling) und das Rathgeberensemble Fulda (Leitung: Regionalkantor Ulrich Moormann) mit den Solisten Anna Ziert (Sopran), Constantin von Hertwig (Tenor) und Georg Rupprecht (Bariton) auf eine musikalische Tagesreise vom Morgen bis zum Abend und wieder zurück.
Gleich vorweggenommen: Alle Ausführenden glänzten. Es war eine angenehme wie wunderbare Reise mit einem bunten Programm, das sich aus Werken großer klassischer Meister wie Mozart und Haydn sowie solchen aus der Region zusammensetzte. Und unglaublich viele Gäste hörten zu.
In der erfrischenden Kantate „Singt dem Vater“ von Johann Michael Bach, dem „Tanner Bach“, prägten Kirchenchor und Orchester die gefälligen Phrasen zupackend und präzise und kündeten damit von der „vom Morgen bis zum Morgen“ dauernden Güte Gottes. Mit ihrem agilen Sopran gab Anna Ziert in der Arie „Flieht von hinnen, Nacht und Grauen“ Zeugnis des Vertrauens auf Gottes Liebe.
Ebenso flexibel agierte Ziert in der seit 1734 nicht mehr aufgeführten Kantate „Goder potremo“ des damaligen Fuldaer Domkapellmeisters Giovanni Battista Pauli.
In hochbarocker Manier wechselten die auf einem Zwiegespräch basierenden Texte durch stetig wechselnde Motive und Stimmungen in schneller Folge ab, die Ziert unter der Stabführung Moormanns ebenso makellos bewältigte wie die Koloraturen im Tanner Bach.
Mozarts „Kleine Nachtmusik“ lockte mit ihren bekannten Melodien vielen Zuhörern ein Freudenlächeln übers Gesicht. Ulrich Moormann legte besonderen Wert auf die Ausdifferenzierung der kleinen Floskeln im großen Ganzen.
Die drei ausgewählten Sätze aus Haydns „Schöpfung“ widmeten sich den Himmelgestirnen Sonne, Mond und Sternen. Tenor Constantin von Hertwig berichtete fesselnd von deren Entstehung („Und Gott sprach“ sowie „In hellem Glanze“).
Der Kirchenchor resümierte die Schöpfung mit Unterstützung der solistischen Engel und des kompletten Orchesters in „Die Himmel erzählen“ mit einem frischen und überzeugenden Lob an ihren Schöpfer.
Thomas Nüdling komponiert seit einigen Jahren für die Pfingstkonzerte jeweils ein neues Werk. Auch in diesem Jahr stand eine Uraufführung an, die sich in besonderer Weise dem Motto des Abends näherte: „Lobet, ihr Knechte“ (Psalm 113) gestaltete Nüdling als festlichen Hymnus, in dessen rondoartiger Anlage er die Aussagen des Psalms musikalisch zum Leben erweckte.
So wechselten in der für Nüdling typischen neoromantischen Tonsprache das Loben und polyphone Preisen der „Knechte“, das morgendliche Aufstrahlen der Sonne sowie deren Untergang zunächst einander ab, ehe sie miteinander kombiniert wurden und schließlich in ein majestätisches Halleluja mündeten, das die vielen Zuhörer zu langem Applaus und Standing Ovations bewegte.
Als Zugabe gab es das zu Herzen gehende Abendlied „Reicht euch die Hand“, bei der alle Gäste sich die Hand reichten und in einen schönen Abend verabschiedet wurden, der bei einem Sektempfang auf dem Kirchplatz ausklang.
In seinem Impuls richtete Prof. Dr. Christoph Gregor Müller sein Augenmerk auf die Tageszeiten: Der Morgen als Zeit des Rüstens für den Tag sowie der Abend als Zeit des Dankens und Loslassens.
Dass viele Lieder sich dem Morgen und dem Abend widmeten, gäbe der Schöpfung eine Stimme. Konkret ging Müller auf Psalm 113 ein: Dessen Text wolle den ganzen Tag begleiten und Orientierung in Gott suchen.
Der Psalm helfe, den Blick auch auf die zu richten, die als „Geringe“ und „Arme“ (vgl. Vers 7) nicht auf der Sonnenseite des Lebens stünden, um sich in die Hände eines Größeren fallen zu lassen.
Am Schluss des Abends standen Dank, Gebet und Segen, den Prof. Dr. Christoph Gregor Müller und Pfarrer Klaus-Dieter Inerle gemeinsam spendeten.
Eine Aufnahme der Uraufführung von „Lobet, ihr Knechte“ findet man unter folgendem Link: www.youtu.be