Gastbeitrag von Anna-Lena Bieneck
So ein Umzug geschieht nicht alle Tage: Insgesamt 6122 Edelkrebse aus den Wohrateichen bei Haina im nordhessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg sind von ehrenamtlichen Helfern in Rhöner Fließgewässer umgesetzt worden.
Dank ihnen haben rund 600 Edelkrebse ein neues Zuhause im Brandbach bei Hilders gefunden.
Die beiden Wohrateiche im gleichnamigen Naturschutzgebiet sollen saniert werden. Für die zahlreichen Lebewesen in den Stauteichen – Fische, Muscheln, Krebse und Co. – musste daher eine Umsetzungsmöglichkeit gefunden werden.
„Das mit der Umsetzung beauftragte Büro hat sich an uns gewendet. Zusammen haben wir eine Lösung für die Edelkrebse aus den Teichen erarbeitet“, sagt Joachim Walter, Ranger im UNESCO-Biosphärenreservats Rhön.
Mit Edelkrebsen kennt er sich aus: Zwischen 2004 und 2011 liefen im hessischen Teil des Biosphärenreservats umfangreiche Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederansiedelung der bedrohten Art. Der Deutsche Edelkrebs, auch Europäischer Flusskrebs genannt, war einst in fast allen Bächen, Flüssen und Seen Europas verbreitet – auch in der Rhön.
Gewässerverunreinigungen und -ausbau, vor allem aber amerikanische Krebsarten, die für heimische Arten tödliche Krankheiten übertragen, brachten den Edelkrebs an den Rand des Aussterbens. Mithilfe des Arbeitskreises Rhöner Fließgewässer wurden daher von 2005 bis 2011 in zwölf Gewässern in der hessischen Rhön jedes Jahr rund 5000 Jungkrebse ausgesetzt. Mit Erfolg:
„Der Bestand hat sich stabilisiert. Wir hoffen, dass das künftig auch ohne weiteren Besatz so bleibt“, sagt Joachim Walter.
Der aktuelle Besatz mit den Krebsen aus den Wohrateichen sei eine Ausnahme. Zunächst wurden die Edelkrebse in den beiden Stauteichen von der Bürogemeinschaft für fisch- und gewässerökologische Studien (BfS) Marburg mithilfe von Reusen abgefangen.
„Die Hälterungen sind groß und mit Wohnröhren ausgestattet, damit sich die Tiere nicht gegenseitig verletzen können“, erklärt Dirk Hübner von der BfS.
Da es sich um die Räumung eines Naturschutzgebiets handelte, mussten die Tiere nach der Bundesartenschutzrichtlinie entfernt werden, die unter anderem eine strenge Hygiene vorschreibt.
Am Ende waren es genau 6122 Edelkrebse, die aus den Stauteichen abgefangen und in die Rhön gebracht wurden. Fünf Tage lang waren Joachim Walter und Ehrenamtliche aus dem Arbeitskreis dann unterwegs und verteilten die Tiere in fast allen Gewässern, die bereits vor einigen Jahren im Rahmen des Edelkrebs-Projekts besetzt worden waren.
Die Junior-Ranger-Gruppe aus Hilders und ihr Betreuer Harald Vonderau halfen in Brand am Fuße der Wasserkuppe mit. Dort setzten sie mit Joachim Walter rund 600 Krebse in den Brandbach. Der Einsatz sei auch eine Chance gewesen, die Kinder für den Artenschutz zu sensibilisieren, erklärt Walter:
„Vielen ist nicht bewusst, welche fatale Folgen es haben kann, wenn Tiere aus dem Aquarium im Wohnzimmer einfach in der Natur ausgesetzt werden.“
Mit den ausgesetzten Haustieren würden Krankheiten in die Rhöner Gewässer gelangen. Der Ranger appelliert an Besitzer von Fischen, Krebsen oder anderen Wassertieren, diese auf keinen Fall auszusetzen, sondern an Tierhandlungen zurückzugeben.