Information der Stadt Bad Liebenstein
Durch das ganze Land gehen seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine die Aufrufe mit der Bitte, dass Kommunen und Privatpersonen verfügbaren Wohnraum melden.
Eiligst werden kommunale Gebäude hergerichtet oder umfunktioniert. Sie sollen Geflüchteten aus der Ukraine ein Dach über dem Kopf bieten.
Optimal sind viele der Lösungen – vor allem Gemeinschaftsunterkünfte – nicht, findet Bad Liebensteins Bürgermeister, Dr. Michael Brodführer.
Das liegt auch daran, dass ein enormes Potenzial an Wohnraum im ländlichen Raum nicht genutzt werden kann. Hier herrscht oft ein Sanierungsstau von Jahrzehnten. Ein Sofortprogramm des Landes könnte gleich doppelt für Hilfe sorgen.
Der Bürgermeister weist im Zusammenhang der Ukrainehilfe darauf hin, dass es für die geordnete Unterbringung und Integration der Geflüchteten ein landesweites Engagement zur Aufnahme geben sollte.
Die Unterbringung sollte nicht nur den großen Städten überlassen werden. Bereits jetzt schlagen dort die Bürgermeister Alarm, dass die Kapazitäten der Gemeinschaftsunterkünfte schnell erschöpft sein werden.
Brodführer sieht die Unterbringung in großen städtischen Einrichtungen kritisch:
„Die Not der Menschen können wir in unseren Dörfern und kleinen Städten auf dem Land am besten abmildern. Hier gibt es noch intakte Dorfgemeinschaften und familiäre Beziehungen untereinander, die Schutzsuchenden finden schnell Aufnahme in die Gesellschaft. Gerade für die geflüchteten Frauen und Kinder bieten kleine Orte hervorragende Bedingungen.“
Die Kommunen im ländlichen Raum stehen aber vor einem anderen Problem: Es gibt zwar zahlreiche leerstehende Wohnungen in den Dörfern, sie sind aber nicht sofort bezugsfertig: Heizungen sind kaputt, Sanitäranlagen funktionieren nicht mehr, die Elektrik ist in gefährlichem Zustand.
Viele Jahre bis Jahrzehnte haben die Kommunen nicht in die Sanierung investiert, weil abwanderungsbedingt keine Mieter zu erwarten waren.
Jetzt gibt es auf der einen Seite einen großen Bedarf an Wohnraum und auf der anderen Seite das große Ziel vieler Bürgermeister, Leerstand zu beseitigen.
Aufgrund der Haushaltslage können kleine Kommunen nicht kurzfristig notwendige Sanierungsmaßnahmen selbst verwirklichen. Darum fordert Brodführer vom Freistaat die Einrichtung eines Förderprogramms zur Sanierung von leerstehenden Wohnungen im ländlichen Raum.
Wenn der Freistaat hier schnell finanzielle Unterstützung leistet, hilft das allen: es entlastet die großen Städte, belebt den ländlichen Raum und integriert die Geflüchteten in die Breite unserer Gesellschaft.
Hintergrund:
Unmittelbar nach Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine hat sich in Bad Liebenstein ein Hilfsnetzwerk gegründet, um auf die zu erwartende Flüchtlingsbewegung vorbereitet zu sein. An erster Stelle stand die Organisation von Wohnraum.
Bereits am 1. März fanden sich in der Bad Liebensteiner Friedenskirche Vertreter der Stadtverwaltung, der Kirchgemeinden, der Bad Liebensteiner Kliniken und der Kinder- und Jugendkunstschule zusammen.
Im Gespräch mit ortsansässigen Ukrainern wurden die dringlichsten Organisationsschritte besprochen.
Umgehend wurden Zuständigkeiten aufgeteilt, ein Spendenkonto, eine zentrale E-Mail, eine Infoseite und eine eigene Telefonnummer eingerichtet und weitere Mitglieder für das Netzwerk gesucht.
Der Haupt- und Finanzausschuss schlug in einer Sondersitzung dem Stadtrat ein umfangreiches Maßnahmenpaket vor. Bei einem zweiten Treffen am 3. März wurden potenzielle Wohnungsgeber registriert, Aufgaben verteilt und offene Fragen geklärt.
Als am 4. März die Information kam, dass einer der ersten Busse mit Geflüchteten in Thüringen im Wartburgkreis ankommt, war das Bad Liebensteiner Netzwerk (zusammen mit Vacha) vorbereitet.
In der Nacht vom 4. auf den 5. März hat das Netzwerk die ersten 40 Geflüchteten in Bad Liebenstein in Empfang genommen, 20 Frauen und Kinder haben eine Aufnahme hier gefunden und versuchen mit Hilfe des Netzwerkes ihr Leben in Deutschland zu organisieren.
Neben privaten Unterkünften steht den Geflüchteten ein Haus zum Wohnen und Leben und als deutsch-ukrainisches Begegnungszentrum zur Verfügung, der Stadtrat hat am 10. März dem Kauf des lange leerstehenden Pensionsgebäudes zugestimmt.
In Schweina in der Kinder- und Jugendkunstschule, in Steinbach im Grünen Baum und in der Friedenskirche in Bad Liebenstein finden regelmäßig Treffen statt, es gibt mittlerweile einen ehrenamtlich organisierten Sprachunterricht, erste Frauen haben Arbeitsstellen in Bad Liebenstein gefunden.
Weitere Informationen zum Netzwerk: https://rathaus.bad-liebenstein.de/ukraine.html