Projekt gegen das Vergessen – Erste Stolpersteine in Geisa verlegt

Gastbeitrag von Anja Nimmich

Zahlreiche Bürger und Gäste waren am vergangenen Wochenende in die Schulstraße nach Geisa gekommen, um vor dem Athanasius-Kircher-Haus der ersten Stolpersteinverlegung in der Stadt beizuwohnen.

„Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist!“, zitierte Bürgermeisterin Manuela Henkel aus dem jüdischen Talmud.

„Die Aktion Stolpersteine ist ein Projekt gegen das Vergessen. Es erinnert an alle jüdischen Mitbürger, die vom Nationalsozialismus verfolgt oder vernichtet wurden.“

Mit der Verlegung der Steine werde die Erinnerung an die Menschen wieder lebendig, die hier einst wohnten, sie bringen die Namen zurück und erinnerten an jedes einzelne Schicksal.

Manuela Henkel begrüßte besonders die Nachkommen der einst in Geisa lebenden Familie Stern, die heute in den Vereinigten Staaten und in England leben.

Die Familie war vor zwei Jahren auf die Stadt zugekommen und hatte nach einer Stolpersteinverlegung in der Nähe des einstigen Wohnhauses in der Schulstraße angefragt. Weiterhin waren Stadtpfarrer Martin Lerg, der evangelische Pfarrer Roland Jourdan sowie Vertreter beider Kirchengemeinden zugegen.

Die Bürgermeisterin begrüßte ebenso den Caritasvorsitzenden Dr. Dagobert Vonderau sowie Caritas-Geschäftsführerin Susanne Saradj als Eigentümer des Athanasius-Kircher-Hauses. Besonders dankte sie allen Spendern für die Unterstützung der Aktion.

Im letzten Jahr hatte die Stadt gemeinsam mit dem Heimat- und Geschichtsverein „Geisaer Amt“ anlässlich der Veranstaltungsreihe „1700 Jahre jüdisches Leben“ Gelder für die Verlegung der Steine gesammelt.

„Über einen langen Zeitraum hinweg hat der Heimat- und Geschichtsverein „Geisaer Amt“ versucht, bei vielen Beteiligten für Stolpersteine im Allgemeinen ein Bewusstsein zu schaffen. Nun endlich ist es soweit, dass eine Form der Verlegung gefunden wurde, die allen hilft zu erinnern“, betone Vereinsvorsitzender Johannes Henning.

Er verwies nochmals auf die Neuauflage des Buches „Jüdisches Leben in Geisa“ dessen Verkaufserlös der Heimat- und Geschichtsverein mit Unterstützung der Werner Deschauer Stiftung in die Verlegung weiterer Stolpersteine investieren möchte.

Besonders dankte Henning Heinz Kleber, dem erst kürzlich verstorbenen Autor des Buches, der sich um die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte in Geisa damit besonders verdient gemacht hatte.

Die Stolpersteine selbst wurden dann von Marie Trender, Tristan Kehr und Tim Jentsch unter Mithilfe von Bauhofmitarbeiter Andreas Rothardt verlegt.

Die drei Schüler des Gymnasiums Vacha hatten sich während ihrer Seminarfacharbeit mit dem Thema „Jüdische Kultur in Geisa – Verdrängt und Vergessen?“ beschäftigt.

Insgesamt wurden neun Steine für Ruth, Nelly, Max, Betty, Beate, Hermann, Franzi, Lisel und Johanna Stern verlegt. Mit der Enthüllung der Gedenktafel am Athanasius-Kircher-Haus, einem Gedicht des 17-jährigen Ghettoinsassen Pavel Friedmann „Der Schmetterling“, das von den Schülern vorgetragen wurde sowie dem Gesang des Kirchenchores Geisa wurde der feierliche Akt beschlossen.

Im Anschluss lud Manuela Henkel zum Empfang in die ANNELIESE DESCHAUER Galerie ein. Dort stellten die drei Gymnasiasten ihre Recherchen zur jüdischen Kultur in Geisa vor. Dazu hatten sie acht Thesen näher untersucht.

Unter anderem gaben sie Einblicke in die jüdische Geschichte von Geisa und hinterfragten die aktuelle Erinnerungskultur. Besonders dankten die drei Jugendlichen Geschichtsvereinsmitglied Manfred Dittmar aus Geisa sowie Sandra Trabert, der Enkelin von Heinz Kleber, für die Unterstützung bei ihren Recherchen.

Im Anschluss nutzen die Gäste die Möglichkeit, Fragen zu stellen und ins Gespräch zu kommen.

„Als wir heute die Stolpersteine in den Bürgersteig legten, hatte ich das Gefühl, dass wir meine Familie nach Hause gebracht haben“, sagte Joan Arshen, Tochter von Max Stern, für den ebenso ein Stolperstein verlegt wurde.

„Ich habe gelernt, dass der kleine Ort Geisa ein großes Herz hat.“ Beamte hätten ihren Vater bereits früh gewarnt und zur Flucht geraten, er wollte aber seine Eltern Hermann und Johanna Stern nicht verlassen.

„Er hat nur ein einziges Mal über die Ereignisse des Holocaust gesprochen“, sagte Joan Arshen sichtlich bewegt. Sie dankte allen, die die Verlegung der Stolpersteine mit unterstützt hatten.

„Unsere Familie ist überwältigt von ihrer Großzügigkeit. Wir können ihnen nicht genug danken!“ Im Anschluss gaben Damian Trost aus Spahl und Nils Kuldschuhn aus Buttlar an den Klarinetten jiddische Lieder zu Gehör.