Gastbeitrag von Wolfgang Weber
Es waren bewegende Szene an der ehemaligen Grenze: Über 10.000 Menschen jubeln auf Point Alpha den Vätern der Deutschen Einheit zu.
17 Jahre ist das nun her als bei der Verleihung des ersten Point-Alpha-Preises im Juni 2005 ein Hauch von Weltgeschichte über die Gedenkstätte Point Alpha wehte. Der letzte der drei Preisträger, Michail Gorbatschow, ist nun nach langer Krankheit mit 91 Jahren gestorben.
„Es war der ehemalige russische Staatschef, der durch seine mutige und kluge Politik entscheidend den Weg für Annäherung und Abrüstung ebnete und letztendlich auch dafür sorgte, dass der „Eiserne Vorhang“ zwischen Rasdorf und Geisa verschwand“, würdigen der Geschäftsführende Vorstand Benedikt Stock und Studienleiter Philipp Metzler für die Point Alpha Stiftung die Verdienste von „Gorbi“ um die Einheit Deutschlands und Europas in Frieden und Freiheit.
„Es war ein einzigartiges, für alle glückliches Erlebnis“, erinnert sich Point-Alpha-Mitinitiator Berthold Dücker an dieses Ereignis, als wäre es gestern gewesen.
Christine Lieberknecht übergab als Präsidentin des noch jungen Kuratoriums Deutsche Einheit die Stelen, und Dücker hatte als Organisator und Vorsitzender des Vereins Grenzmuseum direkten Kontakt zu den hochprominenten Gästen.
„Gorbatschow war eine sehr offene, sehr zugängliche, den Menschen zugewandte Person. Sympathisch, bescheiden und ohne Allüren“, erzählt der frühere STZ-Chefredakteur.
Zwei Jahre zuvor sei ihm die „verrückte“ Idee gekommen, eine Auszeichnung an diese drei Staatsmänner zu vergeben, weil er die Befürchtung hatte, dass die Menschen in Vergessenheit geraten, denen wir am meisten zu verdanken haben.
Dücker begleitet die Ehrengäste vom Haus auf der Grenze ins US Camp und hörte wie Bush am einst „heißesten Punkt im Kalten Krieg“ mit Blick ins Thüringer Land zu Gorbatschow sinngemäß sagte: „Schau einmal in diese schöne Landschaft, was haben wir den Menschen jahrelang nur zugemutet.“ Und Gorbatschow nickte. „Das hat berührt“, sagt Dücker.
In Deutschland war und ist der Friedensnobelpreisträger von 1990 ein bewunderter und gefeierter Politiker, der eine ungeheure Wertschätzung genoss.
Mit „Glasnost“ (Offenheit) und „Perestroika“ (Umgestaltung) läutete Gorbatschow das Ende der Sowjetunion und damit das Ende der DDR ein. Grund genug, in dem letzten Generalsekretär der KPdSU und ersten sowie einzigen Präsidenten der Sowjetunion einen der entscheidenden Figuren für den „Wind of Change“ zu sehen.
Im heutigen Russland fällt das Urteil über Gorbatschow mitunter weitaus weniger wohlwollend aus. Im eigenen Land galt er für Viele als „Totengräber der UdSSR“. Inzwischen sind auch die Zeiten eines friedlichen und nach Einheit strebenden Europas spätestens seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine vorbei.
Ein Bewohner aus dem Geisaer Amt hat es kürzlich bei der Vorstellung des Buches „Die Deutschen und Gorbatschow - Der Gorbatschow-Diskurs im doppelten Deutschland 1985-1991“ im Haus auf der Grenze knapp und klar auf den Punkt gebracht: „Gorbatschow hat damals mein ganzes Leben verändert“.
Die Point Alpha Stiftung würdigt im Gedenken an Michail Gorbatschow dessen Energie zur demokratischen Öffnung und zum Brückenschlag zwischen Ost und West sowie seine Vision von einem friedlichen Haus Europa.
Gorbatschow hat Weltgeschichte mitgeschrieben und wird immer Teil der Ausstellungen von Point Alpha bleiben, wie nicht zuletzt auch sein Porträt in der Galerie der Point-Alpha-Preisträger verdeutlicht.