Tag der Streuobstwiese wird heute gefeiert – Baumwartausbildung soll starten

Gastbeitrag von Anna-Lena Bieneck

Sie gelten als „Arche Noah“ für alte heimische Obstsorten und gehören zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas: Streuobstwiesen, die auch im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön die Landschaft mitprägen.

Am 30. April 2021, dem ersten „Tag der Streuobstwiese“, wird europaweit auf die Bedeutung von Streuobstanbau für die Gesellschaft und für die Tier- und Pflanzenwelt aufmerksam gemacht.

Die Streuobstfreundinnen und -freunde in Bayern, Hessen und Thüringen hoffen auf ein wachsendes Bewusstsein der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Im März hatten die Kulturminister der Länder den Streuobstanbau in Deutschland zum Immateriellen Kulturerbe erklärt und damit einem Antrag aus Baden-Württemberg stattgegeben. In dem Bundesland stehen die größten zusammenhängenden Streuobstbestände in ganz Europa.

„Die Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe stellt in erster Linie eine öffentlich sichtbare Anerkennung der Kulturform und seiner Trägerschaft dar“, teilt Hoch-stamm Deutschland e. V. mit.

Der Verein hatte die Erarbeitung des Antrags für den Eintrag in das Verzeichnis initiiert. Mehr als 1,3 Millionen Menschen hatten sich daraufhin mit ihrer Unterschrift hinter den Antrag gestellt.

Auch im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön freuen sich die Aktiven über die Anerkennung der arbeits- und zeitintensiven Pflege und Bewirtschaftung. Denn Verbraucherinnen und Verbraucher erfahren über diesen Titel die notwendige Wertschätzung dieses so wichtigen Kulturerbes.

„Nach wie vor ist es leider so, dass das Engagement auf ideellen Beinen steht, Streuobstanbau ist zum großen Teil ein Verlustgeschäft", erklärt Antje Schwanke, Geschäftsführerin der Rhöner Apfelinitiative.

„Wir wünschen uns, dass die neu gewonnene Aufmerksamkeit dazu beiträgt, dass auch der materielle Wert gefördert wird.“

Hotspots der biologischen Vielfalt

Streuobstwiesen sind Hotspots der Biodiversität und ein prägender Teil der Kulturlandschaft. Bei dieser speziellen Anbauform wird Obst mit umweltverträglichen Bewirtschaftungsmethoden
auf hochstämmigen Baumformen erzeugt. Im Gegensatz zu niederstämmigen Plantagen stehen die Bäume dabei oft „verstreut“ in der Landschaft.

Die Streuobstwiesen in Deutschland und auch in der Rhön sind aus einer landwirtschaftlich-kulturellen Entwicklung hervorgegangen und direkt an menschliches Wissen gebunden.

Der Streuobstanbau – hier eine Fläche bei Großenbrach im Bayerischen Teil des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön – zählt seit diesem Jahr zum Immateriellen Kulturerbe Deutschlands.

„Der Anbau von Streuobst ist für die Trägergruppen und die Bevölkerung ein Stück regionaler Identität“ – so formuliert es die Deutsche UNESCO-Kommission. Viele Bestände wurden jedoch im 20. Jahrhundert gerodet, was zum Verlust größerer Flächen von Streuobstwiesen geführt hat.

Heute gefährden weniger Rodungen als das schwindende Wissen, fehlende Fertigkeiten und Wertschätzung, der hohe Arbeitsund Zeitaufwand und die mangelnde Rentabilität den Bestand. Hinzu kommen Trockenschäden aufgrund des Klimawandels, und auch der weiter fortschreitende Mistelbefall macht den Rhöner Streuobstwiesen zu schaffen.

Um Entwicklungen wie diesen entgegenzuwirken, hatte sich bereits vor 25 Jahren der Verein Rhöner Apfelinitiative gegründet.

Ziel sind die Förderung der Streuobstbestände – hierbei liegt der Schwerpunkt auf dem Erhalt und der Pflege vorhandener Streuobstwiesen und alter Streuobstsorten –, die Absatzförderung von Streuobstprodukten und die Koordination und Unterstützung der Qualitätskontrollen für ökologisch erzeugtes Streuobst.

Baumwartausbildung

Auch die Verwaltungen des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön in Bayern, Hessen und Thüringen wollen unterstützen. So soll voraussichtlich im Herbst dieses Jahres eine Baumwartausbildung angeboten werden.

„Die Streuobstpflege setzt ein umfangreiches Wissen voraus, das sich die meisten bisher selbst angeeignet haben“, erklärt Ulrike Schade, Leiterin der Thüringer Verwaltung.

„Um eine staatliche Förderung erhalten zu können, ist allerdings eine anerkannte bzw. zertifizierte mehrjährige Ausbildung notwendig.

Für eine regionale Wertschöpfung möchten wir insbesondere Rhönerinnen und Rhöner ansprechen, hier vor Ort beim Schutz des Immateriellen Kulturerbes mitzumachen.“