Gastbeitrag von Andrea Dominik
Man sieht sie nicht mehr oft, aber es gibt sie nach wie vor, die Handwerker auf der Walz. So begrüßte die Stadtverwaltung Bad Salzungen am 23. Juni 2021 zwei junge Handwerker auf ihrer Wanderschaft.
Leon Bähr ist 24 Jahre jung und ausgelernter Zimmerer. Er stammt von Sylt und reist zusammen mit dem 26 Jahre alten Tischler Jan Kisters vom Niederrhein. Die beiden Handwerker haben in Österreich zusammengearbeitet und sind weit rumgekommen.
Sie sind sogenannte Rolandsbrüder, Mitglieder der Gesellenvereinigung Rolandschacht. Es ist eine Vereinigung von Bauhandwerksgesellen, die auf die Walz gehen – die traditionelle Wanderschaft, um sich handwerklich und kulturell weiterzubilden.
Bähr ist bis nach Namibia gereist und war davor unter anderem in Georgien, Armenien, der Ukraine und Tschechien. Während der Walz sind die Handwerker vier bis zwölf Wochen an einem Ort. Sie reisen in der traditionellen Arbeitskleidung der Zimmerer und dürfen für Unterkunft und Fahrt zum nächsten Ort kein Geld ausgeben.
In die Stadtverwaltung sind sie gekommen, um ihre zehn Euro Proviantgeld abzuholen. Diese gibt die Stadt pro Person an die Handwerker auf ihrer Gesellenwanderung. Bei ihrem Besuch haben sie von den Umständen während der Coronakrise und von den steigenden Preisen im Handwerk berichtet.
„Viele kleine Betriebe gehen kaputt, die keine Kapazitäten haben, große Mengen an Holz zu lagern“ erzählte Lein Bähr. „Trotz Corona haben wir aber überall Arbeit gefunden. Anfangs, im März letzten Jahres waren die Firmen noch vorsichtig, weil keiner wusste, was Corona bringt. Aber das Handwerk boomt noch immer.“
Nach ihrem traditionellen Abschlag, ein Dankesspruch für das erhaltene Geld, haben die beiden noch ein kleines Verpflegungspaket mit einem Salzsäckchen vom Gradierwerk erhalten. Ihr nächster Halt ist Wolfsburg, wo eine neue Arbeit wartet.
Auf die Frage hin, wo sie übernachten werden, antwortete Bähr: „Wenn uns heute keiner beherbergt, werden wir draußen schlafen.“