Gastbeitrag von Tamara Burkardt
Organspende ja oder nein – die Frage stellen sich immer mehr Menschen. Und das ist gut so.
„Denn egal wofür man sich am Ende entscheidet: Wichtig ist, sich darüber Gedanken zu machen und den eigenen Willen zu bekunden“, erklärt Dr. med. Andrea Teichert, Transplantationsbeauftragte Ärztin des Helios Klinikums Meiningen.
Zum Tag der Organspende, der bundesweit am ersten Samstag im Juni (also am 4. Juni 2022) stattfindet, macht sie daher auf dieses wichtige Thema und den dramatischen Rückgang an Organspenden im ersten Quartal 2022 aufmerksam.
Rund 9.000 schwer erkrankte Menschen warten in Deutschland aktuell auf ein lebensrettendes Spenderorgan. Dabei ist die Zahl der Organspenden in den ersten drei Monaten dieses Jahres massiv jedoch zurückgegangen.
Nachdem die Organspendezahlen 2021 weitgehend stabil geblieben waren, sanken sie im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 29 Prozent, wie die Deutsche Stiftung für Organtransplantation (DSO) mitteilte. Laut DSO kam der Einbruch unerwartet.
Ein Hauptgrund seien offensichtlich die hohen Corona-Fallzahlen zu Jahresbeginn. Denn nur den wenigsten Betroffenen kann durch eine Lebendspende geholfen werden.
Die überwiegende Zahl an Organspenden erfolgt postmortal – also nach der Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls des Spenders und somit der Todesfeststellung. Und auch nur, wenn strenge Kriterien erfüllt sind.
„Eine Organspende ist immer ein Geschenk für die Wartenden – eine Chance auf neues Leben“, weiß Oberärztin Dr. Teichert. Meist verspüren Organempfänger und deren Angehörige ewige Dankbarkeit gegenüber den mit einer Organspende helfenden Menschen.
Den Menschen, die sich zu Lebzeiten dafür entschieden haben, Organe ihres Körpers zur Spende freizugeben. Auch wenn die Spende anonym bleibt.
Leider erhalten auf eine Organspende angewiesene Patient:innen oft erst dann die Chance auf ein „neues Leben“, wenn das Leben eines anderen Menschen Leben erlischt. Erst wenn alle Hirnfunktionen irreversibel ausgefallen sind (man spricht von Hirntod), erlöschen auch das Bewusstsein und die Sinneswahrnehmungen und damit alles, was diesen Menschen einmal ausgemacht hat.
„Nur durch die künstliche Beatmung und die Weiterbehandlung auf einer Intensivstation ist es medizinisch dann noch möglich, bestimmte Körper- und Organfunktionen für eine Zeit lang aufrecht zu erhalten“, erklärt Dr. Teichert.
Die postmortale Organspende – also die Organspende nach eingetretenem Tod – unterliegt in Deutschland unter anderem dem Transplantationsgesetz. Dabei regeln die strengen Richtlinien der Bundesärztekammer eine einheitliche Vorgehensweise zur Feststellung eines irreversiblen Hirnfunktionsausfalls.
Um einen solchen Ausfall rechtssicher festzustellen, muss ein strenges Protokoll unter Mitwirkung von zwei Fachärzten mit langjähriger Erfahrung in der Intensivmedizin eingehalten werden.
Das Helios Klinikum Meiningen kann zudem neben Dr. Teichert noch auf einen weiteren Facharzt der Intensivstation sowie eine Pflegekraft zurückgreifen, die speziell zum Thema Organspende ausgebildet sind.
Erst wenn der Nachweis eines irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (Hirntod) durch die Feststellung des Todes erbracht ist und der Verstorbene zu Lebzeiten zugestimmt hat, kann eine postmortale Organspende erfolgen.
Die Entscheidung des Verstorbenen ist grundsätzlich bindend – egal ob sie mündlich oder schriftlich erfolgt ist. Dazu suchen die Ärzte der Intensivstation das Gespräch mit den Angehörigen, wenn sich beispielsweise nach einer schweren Gehirnverletzung abzeichnet, dass der Hirntod eintritt oder zu erwarten ist.
Wenn also keine schriftliche Verfügung des Verstorbenen vorliegt – wie etwa mittels Organspendeausweis oder Patientenverfügung – werden die nächsten Angehörigen oder eine vom Verstorbenen benannte dritte Person nach „dem bekannten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen“ befragt.
„Es ist deshalb sinnvoll, sich bereits zu Lebzeiten mit diesem Thema auseinanderzusetzten und die eigene Entscheidung schriftlich festzuhalten – oder zumindest mündlich mitzuteilen, um den Angehörigen die Entscheidung zu erleichtern“, betont Dr. Andrea Teichert.
Denn, so führt die Fachärztin für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin fort, sei der eigene Wille nicht bereits zu Lebzeiten ausgedrückt worden, müssen sich die Mediziner mit dieser schwierigen Frage an die Angehörigen wenden.
„Das ist für alle Beteiligten ein schweres Los, kostet es die Angehörigen doch extrem Kraft, in einer Situation der Trauer eine Entscheidung über den Umgang mit den Organen des Verstorbenen treffen zu müssen.“
Ein Gespräch mit den Angehörigen diene dann einerseits der Information über die Möglichkeit einer Organspende und andererseits der emotionalen Begleitung in dieser schweren Phase.
„Wir möchten damit der Familie eine stabile Entscheidungsfindung im Sinne des Verstorbenen ermöglichen“, betont Dr. Teichert. Wer also bereits zu Lebzeiten die eigene Entscheidung zum Thema Organspende schriftlich oder zumindest mündlich mitteilt, kann seinen Angehörigen diese Last abnehmen.
Der Organspendeausweis ist eine gute Möglichkeit, dies zu tun. Denn sowohl die Zustimmung als auch die generelle Ablehnung einer Organ-Gewebespende können darin schriftlich festgehalten oder einzelne Organe bzw. Gewebe für eine Spende individuell ausgeschlossen werden.
Im Rahmen der 1. Meininger Gesundheitsmesse am 17. und 18. Juni 2022 im Volkshaus wird Interessierten ermöglicht, sich über alle Fragen zu Hirntod und Organspende zu informieren.