Gastbeitrag von Denise Oberländer & Susanne Meukow
Wie im letzten Beitrag angekündigt, wollen wir diesmal genauer hinschauen, wer sich im „Heim“ um die pferdigen Gesellen sorgt und wie entsprechend der Alltag des Pferdejungen aussieht.
Natürlich ist das Arbeiten rund um die beiden Pferde auf freiwilliger Basis. Jedoch versteht es sich sicherlich von selbst, dass die Kids, die sich gerne am Pferd und auf dessen Rücken„austoben“ möchten, auch bei der Pflege und Versorgung der Tiere herangezogen werden.
Von den elf betreuten Kindern/Jugendlichen beteiligen sich durchschnittlich sechs an dem Reit- und Trainingsangebot, welches derzeit mindestens einmal pro Woche fester Bestandteil unseres Alltags ist. Aber auch an den anderen Tagen wollen die beiden 4-Beiner versorgt sein.
Die Versorgung der Tiere wird im Rahmen sogenannter „Dienste“ geregelt. Jedes Kind der Wohngruppe hat für je eine Woche einen festen Dienst wie beispielsweise den Müll rausbringen, Abendbrot vorbereiten oder eben auch die Tierversorgung.
Eines unserer Kinder wählt fast wöchentlich für sich die Tierversorgung und hatte auch zeitweise eine Art Patenschaft für die Tiere übernommen. Deswegen möchten wir Ihnen in diesem Artikel unseren Pferdjungen Felix (Name geändert) vorstellen.
Felix ist zehn Jahre alt und lebt seit circa zwei Jahren in der Wohngruppe. Schon kurz nach seinem Einzug zeigte der Junge reges Interesse an allen Tieren, die in der heilpädagogischen Wohngruppe (kurz: HPWG) leben. Schnell lernte er das 1x1 des Putzens, sicheren Führens und Ausmistens. Auch auf den Pferderücken traute er sich nach kurzer Zeit.
Besonders angetan hat es ihm Splash, die Felix aufgrund ihrer Größe symphytischer erscheint.
Besonders toll findet es der Junge im Westernsattel durch die Landschaft getragen zu werden und dabei seine Umwelt wahrzunehmen. Aber auch auf den Rücken des großen Osi, schwingt er sich gerne und reitet ihn an der Longe in allen Gangarten auf dem Platz. Galopp macht ihm am meisten Spaß:
„Das ist fast wie Fliegen!“
Jeden Morgen vor der Schule geht Felix in den Stall beziehungsweise zur Koppel und kontrolliert, ob ausreichend Wasser und Futter vorhanden ist, sowie den augenscheinlichen Gesundheitszustand der Tiere.
Nach Schule, Hausaufgaben, eventuellen Terminen und natürlich einer Spielzeit, geht es in den Wintermonaten ans Ausmisten, Paddock abäpfeln und Heu und Wasser auffüllen. Unterstützt wird er bei dieser anspruchsvollen Arbeit von einem weiteren Kind und/oder den Pädagogen. Insofern die Witterungsverhältnisse einen Koppelgang zulassen, unterstützt er bei Bedarf beim Führen.
In den Sommermonaten entfällt zwar das mühsame und zeitaufwendige Misten, jedoch ergeben sich andere Aufgaben, wie ausreichend Insektenschutz gewährleisten, häufigeres Wasser auffüllen und Koppel auf Schäden kontrollieren.
Ab und an kommt es vor, dass Felix die Tierversorgung „Zuviel“ wird und er sich eine Auszeit wünscht. Er wird dann von den anderen pferdebegeisterten Kindern abgelöst, übernimmt aber meistens schon eine Woche später, von sich aus, erneut die Tierversorgung.
5.2.21
Hallo, wir sind die Heilpädagogische Wohngruppe „Hof Katzamühle“ in Unterkatz.
Wir, dass sind aktuell 11 Kinder im Alter von vier bis 17 Jahren, sechs Erzieherinnen, zwei Pferde, eine Katze, ein Hase und ab und an besuchen uns auch die Hunde der Pädagoginnen in der Wohngruppe.
Im kommenden Artikel soll es aber speziell um unsere zwei Pferde, Osires II und Splashed Tiberary gehen.
Osires II kurz Osi ist ein 18-Jähriger Warmblutwallach, der uns gefühlt, schon immer bei der Arbeit unterstützt, indem er unter anderem die kleinen und großen Reiter an der Longe geduldig über den Platz trägt. Wald und Wiesen sind ihm nicht geheuer und auch sonst sieht er hin und wieder ein Gespenst, doch sobald ein Kind auf seinem Rücken sitzt, ist er unser sanfte Riese.
Splashed Tiberary kurz Splash ist eine 8-Jährige Tinkerstute, die 2017 dank einer Spende unseres Paten, des ehemaligen Kapitäns des SV Werder Bremen, Clemens Fritz, bei uns einzog.
Die gemütliche Stute ist zwar das komplette Gegenteil von Osi, dennoch möchten wir den kleinen Sturkopf bei Spaziergängen, Turneinlagen und im Alltag nicht mehr missen.
Unsere beiden Pferde haben einen geräumigen Stall zur Verfügung dessen Tor offen steht und somit erlaubt, dass die Tiere jederzeit raus gehen können. An dem Stall angrenzend befindet sich ein Auslauf. Der Stall wird hauptsächlich in den Wintermonaten, bei extrem schlechten Wetter oder übermäßiger Hitze genutzt. In den Sommermonaten stehen Splash und Osi auf den angrenzenden Weideflächen.
Doch wozu braucht ein „Kinderheim“ nun Pferde? Nun, um es mit den Worten von Paul Mitscherlich zu sagen:
„Der Junge Mensch braucht seinesgleichen- nämlich Tiere, überhaupt Elementares, Wasser, Dreck, Gebüsche, Spielraum.
Man kann ihn auch ohne das alles aufwachsen lassen, mit Teppichen, Stofftieren oder auch auf asphaltierten Straßen und Höfen.
Er überlebt es, doch man soll sich dann nicht wundern, wenn er später bestimmte soziale Grundleistungen nie mehr erlernt.“
Getreu diesem Zitat, steht bei uns nicht das Erlernen der Reitkunst im Vordergrund, sondern die persönliche und soziale Entwicklung der uns anvertrauten Kinder. Schwerpunkte dabei sind die Förderung der Motorik, Konzentration, Ausdauer, Kommunikation, Fürsorge, Selbstwahrnehmung, Selbstwertsteigerung und bei Bedarf auch der Stressreduktion. Die Umsetzung des großen Vorhabens geschieht durch den direkten Kontakt und den Umgang mit den Pferden.
Durch das Pflegen der Tiere, das Arbeiten im Stall, verschiedene Übungen am und auf dem geführten Pferd erlernen die Kinder, zum Einen Verantwortung für ein anderes Geschöpf zu übernehmen. Des Weiteren lernen sie sich selber besser kennen, denn Pferde sind sensible Tiere, die menschliches Verhalten direkt und unmittelbar spiegeln. Ein Beispiel: Bin ich ängstlich beim Führen, unter Zeitdruck, verärgert oder gebe den Weg nicht vor, so wird mir mein Pferd (meistens) nicht folgen.
Gehe ich jedoch aufrecht und zielstrebig und vermittle somit ein gewisses Maß an Sicherheit, wird es mir folgen. Das heißt, wir erlernen gemeinsam mit dem CO-Trainer Pferd Schritt für Schritt Vertrauen in die eigenen Stärken zu haben und zugleich Schwächen zu erkennen und zu stärken.
Etwas abseits vom Pferderücken planen wir kleinere „tierische“ Projekte mit unseren Kindern. In diesem Jahr steht beispielsweise die Umgestaltung der Sattelkammer auf dem Plan.
Dunkel, unübersichtlich und zugestellt präsentiert sich der kleine Raum momentan. Ein paar Ideen schwirren den Pferdedamen bereits im Kopf umher. Aber vielleicht haben sie für uns weitere nützliche Anregungen zur besseren Raumgestaltung, die sie uns unter hpwg.unterkatz@isa-kompass.de zukommen lassen möchten. Selbstverständlich werden wir an späterer Stelle darüber berichten.
Mal abgesehen von solchen Highlights stellt sich Ihnen aber wahrscheinlich die Frage, wie nun der Alltag mit den Pferden aussieht? Wer kümmert sich den eigentlich um die Tiere? Müssen sich alle Kinder und Jugendlichen an den Angebot beteiligen? Und wer bringt ihnen all das bei?
Darüber erfahren sie im Februar mehr, wenn es heißt: „Die Pferdedamen und der Pferdejunge stellen sich vor – ein ganz normaler Tag in der Wohngruppe“.